Geschichte der Spraydose

Haarsprays, Rasierschaum, Deo, Autolack oder Sahne - kaum ein Produkt, das die Spraydose nicht versprüht. Fast genauso verschiedenartig ist auch die Liste der Pioniere, die vor über acht Jahrzehnten beharrlich und erfindungsreich an ihrer Entwicklung tüftelten: Ingenieure, Farbenfabrikanten, Chemiker, Feinmechaniker und ein Insektenforscher haben die damals so benannte „Selbstsprühbüchse" seit dem ersten Patent von 1927 immer weiter verbessert und sie zu dem Produkt gemacht, das bis heute das tägliche Leben in nahezu allen Bereichen erleichtert. Ihre Entstehung allerdings verdankt sie dem kreativen Drang der nachfolgenden fünf unabhängig agierenden Forscher, die alle eine gleichartige Idee verfolgten.

Der Ingenieur: Erik Andreas Rotheim

Der norwegische Ingenieur Erik Andreas Rotheim sorgte mit seiner Erfindung für die eigentliche „Geburt" der Spraydose. Am 9. Oktober 1927 erhielt er in Deutschland das Patent für „Verfahren und Vorrichtung zum Ausspritzen oder Verteilen von Flüssigkeiten oder halbflüssigen Massen". Damit schuf er die technische Grundlage für alle weiteren Entwicklungen kommender Generationen.

Ursprünglich auf der Suche nach der besten Methode zum Einwachsen seiner Skier ahnte er vermutlich schon bei der Patenteinreichung die weiteren vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten seiner Erfindung. Bereits in der ersten Patentschrift zählte er für einen denkbaren Einsatz seiner Druckgasverpackung auf:

z.B. Öle, Fette, flüssige Seifen, Harze, Paraffine, Wachsarten, Farben, Malfarben, Anstrichmittel, Firnisse, Lacke (z. B. Celluloselacke), Kautschuk, Gummi, Leim, Desinfektionsmittel, Imprägnierungsmittel, Schutzmittel, Putzmittel, Düngemittel, Feuerlöschmittel, kosmetische Präparate, organische und anorganische Flüssigkeiten ..."

Der Farbenfabrikant: Richard Bjercke

In den ersten Jahren blieb die Neuheit zunächst in Norwegen, das nach der Erfindung auch Schauplatz der ersten kommerziellen Produktion von Spraydosen war. Der Farbenfabrikant Richard Bjercke, der eng mit Rotheim zusammenarbeitete, produzierte zusammen mit Alf Bjercke zunächst im kleinen Maßstab Farb- und Lackspraydosen und entwickelte die Technik dabei weiter. Die Farbfarbrik der Bjerckes in Oslo war zu ihrer Zeit die größte Produktionsstätte von Farben und Lacken in Norwegen.

Der Feinmechaniker: Frode Mortensen

Der Feinmechaniker Frode Mortensen kümmerte sich als Dritter im Bunde der norwegischen Tüftler um das „Drumherum" und die richtige Ventiltechnik der neuartigen Farbsprays. Seine Patente auf verbesserte Druckbehälter und optimierte Ventile folgten 1938 und 1939.

Der Chemiker: Lyle D. Goodhue

Der Chemiker Lyie D. Goodhue war bereits seit 1935 auf der Suche nach einem geeigneten Treib- und Lösungsmittel, mit dessen Hilfe man Insektenbekämpfungsmittel zerstäuben konnte. Halogenverbindungen mit einem niedrigen Siedepunkt standen im Fokus seiner Forschungen. Gut geeignet als Treibmittel waren diese Stoffe auch deshalb, weil sie nicht brennbar und weitgehend ungiftig waren.

Der Insektenforscher: William N. Sullivan

Zusammen mit dem Insektenforscher (Entomologen) William N. Sullivan testete Goodhue abenteuerliche Verfahren der Chemikalien-Vernebelung. Die Tests der verschiedenen Treibmittel führten immer wieder in Sackgassen, bis Goodhue sich an eine ihrer ersten Ideen und an die Arbeiten von Rotheim erinnerte: 

Das Treibmittel Nr. 12, später bekannt als „Freon 12", gemischt mit dem benötigten Insektenbekämpfungsmittel und in eine ventilbestückte Druckgasflasche nach dem Rotheimschen Prinzip abgefüllt, brachte das gewünschte Ergebnis: Die legendäre „bug bomb" („Insektenbombe") war geboren.

Von da an fand die Spraydose reißenden Absatz: Zunächst rettete sie ab 1942 unzähligen amerikanischen Soldaten das Leben, die im Pazifik-Krieg nicht nur gegen die Japaner, sondern auch gegen die Malaria-übertragende Anopheles-Mücke kämpften.

Nach Kriegsende übernahmen und vermarkteten findige Fabrikanten die nun überaus beliebte Druckgas-Innovation zunehmend für ihre Produkte des täglichen Bedarfs. Modifizierte Bierdosen mit Plastikventilen waren der Anfang der haushaltsgerechten Massenprodukte: Die Dosen wurden handlicher, die Behälter leichter und die Ventile kostengünstiger in der Herstellung. 

Gerade während der Zeit des so genannten Wirtschaftswunders Mitte der fünfziger Jahre eroberte die moderne Spraydose die privaten Haushalte. Die Dosen wurden mittlerweile aus leichtem Aluminium oder Weißblech und darüber hinaus in viel kleineren und verbraucherfreundlicheren Formaten als bisher hergestellt.

Der erste Verkaufsschlager wurde dann rund zehn Jahre später das Haarspray. Das „flüssige Haarnetz" auf Knopfdruck ermöglichte der Damenwelt und ihren Friseuren ab 1955 ungeahnte Stylingmöglichkeiten und eine völlig neue Frisurenmode. Seit seiner Einführung sitzt die Frisur "zu jeder Tageszeit an jedem Ort", wie die Werbung damals versprach. Oder: "Ob Wind, ob Frost, ob Regen - das Spray macht die Haare fit für jedes Wetter". 

Haarspray und Deo machen heutzutage den größten Anteil an Aerosolprodukten aus. Ein Produkt nach dem anderen wanderte mittlerweile in die Spraydose: Kosmetik, Lacke, Haushaltspflegemittel, aber auch Arzneien oder Lebensmittel.

Zwischen der ersten Nachkriegsproduktion in Kansas mit 105.000 Stück im Jahr 1946 bis zur heutigen Herstellung von jährlich mehreren Milliarden Spraydosen weltweit liegen nur wenige Jahrzehnte. 

Einen vorübergehenden Bruch erfährt die Erfolgsstory ab Mitte der siebziger Jahre, als Atmosphärenforscher das Ozonloch entdecken. Zwar können die molekularen Ursachen und der Zusammengang mit den Kühl- und Treibmitteln Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) erst 1986 schlüssig nachgewiesen werden, doch die Aerosolprodukte-Hersteller werden plötzlich zum öffentlichen Buhmann als „Ozonkiller", obwohl die Spraydosen im Vergleich zu anderen Anwendungen nur verschwindend geringe FCKW-Mengen in die Atmosphäre abgeben. 

Sie reagieren rasch: Nach einer freiwilligen Selbstverpflichtung der deutschen Spraydosen-Industrie waren bereits 1988 die FCKW-Mengen in Spraydosen um 95 Prozent reduziert, die FCKW-Halon-Verbotsverordnung von 1991 war damit schon ohne praktische Bedeutung. Ausnahmen gab es danach nur noch für wenige Asthma- und Arzneimittel-Sprays, doch auch für diese oft lebensnotwendigen Sprays wurden inzwischen Alternativen entwickelt: FCKW in Spraydosen sind damit schon lange Geschichte.